Photo: Severin Schweiger
Klangbegeisterte Metaller?!!
Anläßlich eines Livekonzerts der schwedischen Heavy-Metaller von Sabaton ergab sich für mich die Möglichkeit, vor dem Liveauftritt noch ein kurzes Gespräch mit Frontmann Joakim Brodén und Schlagzeuger Hannes van Dahl zu führen. Bei dem nach kurzer Begrüßung durchaus unerwartete Details zur Sprache kamen…
Also legen wir mal los: Welche Musik hört ihr denn gerade so – wenn ihn nicht euer eigenes Ding macht?
Hannes: Das wechselt bei mir immer wieder mal. Fast schon wöchentlich. Derzeit sind es Fleetwood Mac, The Who und andere ältere Sachen.
Joakim: Ich bin in erster Linie Metalhead. Darum sind es bei mir eher die Metal-Klassiker – bis zurück zu Deep Purple, Rainbow, Accept und so weiter.
Wie hört ihr zuhause? Und auf welchem Medium?
Joakim: Ich nutze vorwiegend hochauflösende Digitalfiles – in meinem eigenen Studio. LPs sind auch schön – schon wegen der Cover und der gut lesbaren Texte. Ist doch schade, wenn man sich mit dem Artwork viel Mühe gibt und dann wird es auf Briefmarkengröße verkleinert; dabei geht viel verloren von der Wirkung. CDs spielen für mich überhaupt keine Rolle mehr. Als digitales Tonträgermedium sind sie überflüssig, weil die entsprechenden Streams eine bessere Auflösung und Datenrate haben als die CD.
Hannes: Also ich kann der CD durchaus noch was abgewinnen. Immerhin habe ich damit etwas in der Hand, einen physischen Tonträger. Den gibt es bei Streaming und Co. nicht…!
Photo: Ryan Garrison
So landen wir überraschend schnell bei einer audiophilen Kernfrage, nämlich der nach der Zukunft der highfidelen Musikwiedergabe. Und das bei Metal-Musikern, denen ja allgemein unterstellt wird, bei ihrem „Krach“ spiele der Klang keine Rolle. Doch weit gefehlt. Vor allem Joakim Brodén hat da eine ganz klare Ansicht: Die Frage „Ist Streaming wirklich die Zukunft der Musikreproduktion?“, beantwortet er mit einem entschiedenen „Ja!“, um hinzuzufügen: „…aber nicht dieses extrem datenreduzierte, minderwertige MP3-Zeug. Das kannst Du voll vergessen. Hochauflösende Digitalfiles, idealerweise verlustfrei, also „lossless“ – oder alternativ auch LPs, die ja anders klingen, das ist der richtige Weg!“
Beim Thema „Führt das nicht zu einem veränderten Hörverhalten, wenn alles ständig verfügbar ist?“ herrschte bandintern sofort Einigkeit: „Definitiv“, stellt Hannes van Dahl fest, „man zappt viel schneller durch die Titel, nimmt sich weniger Zeit. Ein Beispiel: Letztens schickte ich einem Freund einen Link zu einer coolen neuen Band, die ich gefunden hatte. Nach einer halben Minute sagte er: „Gefällt mir!“ – und ich antwortete darauf spontan: „Fuck – wie kannst Du das nach dreißig Sekunden wissen? Du hast ja nicht mal richtig reingehört!“ Da sind wir inzwischen angekommen…“
Der Zeitfaktor komme aber noch auf andere Art ins Spiel: Er selbst habe letztens erst ein Album gekauft, von dem er gedacht hätte, es müsse ihm gefallen. „Ist es Dir schon mal passiert, daß Du viel erwartet hast und dann einfach keinen Zugang zu der Musik bekamst? Ich habe mir das Ding mehrfach angehört, aber es zündete nicht. Nach zwei Wochen habe ich es dann doch noch mal aufgelegt – und dachte nur „WOW!“ Beim ersten Versuch hatte ich einfach nicht die richtige Stimmung dafür. Aber dann…“
Fronter Brodén ergänzt: „Stimmt, man nimmt sich oft zu wenig Zeit für die Musik. Alles soll und muß schnell gehen. Aber das bringt oft nicht viel. In gut gemachter Musik steckt viel Emotion – die ist entscheidend. Musik sollte man entspannt genießen. Aber differenziert hören können/wollen höchstens 1% der Leute. 99% (oder mehr) sind mit klanglichem Fast-Food zufrieden – wir nicht! So, wie Du das Thema ansprichst, sehe ich da viele Gemeinsamkeiten zwischen uns.“
Diese Einstellung führte auch dazu, daß Brodén in seinen Studio von den „alten“ Sabaton-Scheiben immer noch die nicht endproduzierten Rohabmischungen vorliegen hat, ebenso wie einige unveröffentlichte Tracks – wie sie u.a. bei der Erstellung der „Re-Armed“-Versionen der ersten vier Alben in 2010 als Bonusmaterial genutzt werden konnten…
Photo: Tim Tonckoe
Das Gespräch dreht sich dann noch eine Weile um Themen wie den Song „Shiroyama“, der sich um die letzte Schlacht einer Samurai-Armee dreht, bei der 1877 wenige hunderte Samurai (es sollen etwa 500 gewesen sein) unter der Führung von Saigō Takamori gegen eine modern ausgerüstete kaiserliche Armee von etwa 30.000 Mann unter Führung der Generäle Yamagata Aritomo and Kawamura Sumiyoshi antraten. Die Niederlage der Samurai besiegelte das Ende der Satsuma-Rebellion und damit auch der traditionellen Rolle der Samurai als wesentlichste militärische Kraft in Japan. Daran, daß die Umsetzung im Film „Der letzte Samurai“ der Sache nicht gerecht wurde und die Filme von Akira Kurosawa weitaus besser geeignet sind, einen Einblick in die japanische Gedankenwelt zu gewinnen, gab es seitens Brodén und van Dahl keine Zweifel.
Kleiner Einwurf: Wie war das noch mit den „ungebildeten“ Metallern? Dieses Vorurteil sollte man zumindest in Bezug auf Sabaton knicken. Denn zu anderen Themen gaben sich die beiden Musiker genauso informiert und auskunftsfreudig.
Doch nur zu rasch war die Interviewzeit verplaudert und das Konzert stand an. Nach den drei Vorbands (Leaves‘ Eyes mit der finnischen Sängerin Elina Siirala, Equilibrium, Stahlzeit) legten die Schweden schließlich gegen 21:30 Uhr los. Die Fans wurden dabei nicht enttäuscht: Vom ersten Augenblick an geben Brodén und seine Jungs Vollgas – und das anderthalb Stunden lang. Das Publikum tobt, die Band hat offensichtlich Spaß. Was kann man bitte sonst noch von Musik erwarten? Mein persönliches Fazit: Es lohnt sich immer, die Menschen hinter der Musik zu sehen. Und ab und zu mal „die Ohren freiblasen zu lassen“ schadet auch nicht. In diesem Sinne: Rock on!
© 2017 by Outsider-Eddie